Nachruf auf den + Pfarrer i. R. Herrmann Daniel
St. LaurentiusAm 1. Mai 2024 starb im St. Johannes-Stift in Warburg im Alter von 87 Jahren Pfarrer i. R. Hermann Daniel. Hermann Daniel war ein Kind des Ruhrgebietes. Am 11. März 1937 in Gelsenkirchen-Buer geboren, wuchs er in Dortmund-Dorstfeld in einer Bergmannsfamilie auf. Der begabte Junge besuchte das Helmholtz-Gymnasium an der Münsterstraße in Dortmund, wo er wichtige Prägungen von seinem geistlichen Religionslehrer Heinrich Lillteich empfing.
Am 26. Juli 1962, weniger als ein Vierteljahr vor der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils durch Papst Johannes XXIII. in Rom, wurde Hermann Daniel in Paderborn zum Priester geweiht.
Seine erste Vikarsstelle erhielt er, nicht weit von seiner Heimatgemeinde entfernt, in Castrop-Rauxel.
Im Sommer 1965 erfolgte der Wechsel nach Clarholz. Mit seinem gleichnamigen Vater - die aus dem
Sauerland stammende Mutter war schon mehrere Jahre zuvor verstorben - und seiner jüngeren
Schwester Ursel bezog Hermann Daniel die zwischen der Pfarrwohnung und der Schwesternstation im Konventshaus gelegene Vikarie. In den folgenden Monaten von Oktober bis Dezember trat das Konzil zu seiner vierten und letzten Sitzungsperiode zusammen. Am 7. Dezember 1965 beschloss es
die Pastoralkonstitution über "Die Kirche in der Welt von heute". Sie beginnt mit den Worten:
"Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände." Diese Worte sollten für Hermann Daniels Lebensweg prägend werden.
Das war schon in der damaligen Jugendarbeit zu spüren. Es ging ihm zwar auch darum, Freizeit zu
gestalten und Ereignisse, z. B. Zeltlager zu organisieren, aber mehr noch wollte er Glauben wecken,
etwa im Lektorenkreis durch Gespräche über die biblischen Texte. Die Liturgiereform des Konzils
hatte das Geschehen des Gottesdienstes der Gemeinde viel näher gebracht als zuvor möglich. Aus
der "Christlichen Arbeiterjugend" kannte Vikar Daniel die Methode "sehen - urteilen - handeln". Das
bedeutet: die Wirklichkeit mit den Augen Jesu anzuschauen, ihr im Geist des Evangeliums zu
begegnen und daraus ein christliches Verhalten in der Welt
zu entwickeln. Diese Methode war für ihn
ein Leitfaden. Bei der Primiz des brasilianischen Priesters Hilario Puziski 1967 trat in Clarholz
Weltkirche in Erscheinung. Während Pastor Josef Brockmann mit dem Vellerner Künstler Heinrich
Gerhard Bücker den Altarraum der Kirche umgestaltete, suchte Vikar Daniel die neuen Möglichkeiten
auszufüllen. Er hat immer wieder betont, wieviel Freiheit ihm Pastor Brockmann dafür gelassen hat.
Gewiss kannte er Beispiele, wo das anders war.
1969 erhielt Hermann Daniel eine Stelle im Warburger Land. Er zog in das Pfarrhaus von Rimbeck,
übernahm zusätzlich Aufgaben in den Nachbargemeinden Nörde und Ossendorf und für die
Schwesterngemeinschaft Apostolischen Lebens in Germete. Deren geistlicher Direktor Franz Peitz
(1907-1978), den Hermann Daniel aus früheren Jahren schon kannte, lebte damals als
Obdachlosenseelsorger in Dortmund-Lanstrop. Hermann Daniels Vater nahm sich der Aufgaben eines
Hausmeisters im Mutterhaus der Schwestern an.
Seit 1938 wirkten Germeter Schwestern in Brasilien, das ab 1964 von einer Militärdiktatur
beherrscht wurde. Die Kirche dort wandte sich in jenen Jahren entschlossen dem geknechteten Volk,
den Armen zu, und Germeter Schwestern taten das auch. Fritz Stahl, Hermanns Mitbruder aus
demselben Weihejahrgang 1962, anfangs Vikar in Gütersloh, St. Pankratius, hatte als
Studentenseelsorger 1968 in Paris Kontakt zu den französischen Arbeiterpriestern gefunden. Warum
gab es solche in der deutschen Kirche nicht? Es heißt doch bei Mt 11,25: "Ich preise Dich, Vater, Herr
des Himmels und der Erde, dass Du all dies den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber
offenbart hast." Und im "Magnificat" sagt Maria, die Mutter Jesu, über Gott: "Auf die Niedrigkeit
seiner Magd hat er geschaut. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen
leer ausgehen" (Lk 1,48 u. 53).
All diese Erfahrungen führten Hermann Daniel zu einer noch tieferen Lebensentscheidung.
Erzbischof Degenhart stimmte, wenn auch zunächst zögernd, seinem Wunsch zu, als Priester unter
Tage zu arbeiten. Er tat das seit 1976 auf der Zeche "Erin" in Castrop-Rauxel und wohnte mit seinem
Vater in einer Bergmannskolonie in Dortmund-Huckarde. Seesorglich half er in der dortigen Pfarrei
St. Christophorus mit und kümmerte sich um die in einer Obdachlosensiedlung lebenden "Kleinen
Schwestern Jesu". Und er engagierte sich für seine "Kumpel", nicht zuletzt für die aus der Türkei und
Korea angeworbenen "Gastarbeiter", in der IG Bergbau, und er feierte unter Tage alljährlich am 4.
Dezember das Patronatsfest der heiligen Barbara. Als die Zeche "Erin" 1983 geschlossen wurde,
bekam Hermann Daniel Arbeit auf der Kokerei "Hansa" in Huckarde. Dieser Lebensabschnitt dauerte
bis 1992. 1990 starb sein Vater.
Im Alter von 55 Jahren wurde Hermann Daniel am 6. September 1992 als Pfarrer von St. Joseph in
der Dortmunder Nordstadt eingeführt. Hier konnte er als Priester seinen großen Erfahrungsschatz
aus der vorangegangenen Zeit unter die Menschen eines vom Strukturwandel gezeichneten Stadtteils
einbringen. Zum Pastoralverbund gehörte auch die in der Nähe des Borsigplatzes gelegene
Filialkirche Heilige Dreifaltigkeit, von deren "Jünglingssodalität" 1909 der Ballspielverein Borussia
Dortmund gegründet worden ist. Vielen Menschen wurde Hermann Daniel aufgrund seiner großen
sozialen Sensibilität und Vertrauenswürdigkeit zum Ratgeber. Und er pflegte weiter die
Verbundenheit mit den Arbeiterpriestern in Deutschland, die sich inzwischen durch Beteiligung
christlicher Laien zum Kreis der "Arbeitergeschwister" weiterentwickelt hatten. Mit ihnen teilte er
den Einsatz für eine gerechtere Welt.
Nach Vollendung des 70. Lebensjahres trat Hermann Daniel 2007 in den Ruhestand. Er zog nach
Germete, wohnte dort lange in einem kleinen Tagungshaus auf dem Heinberg, wo er dorthin kommenden Gruppen zum Gespräch zur Verfügung stand. 2015 und in den folgenden Jahren engagierte er sich bei der Betreuung und Integration der auch nach Warburg und Germete gekommenen Flüchtlinge. Immer wieder übernahm er Gottesdienste, nicht nur in der Hauskapelle der Germeter Schwestern und im Pflegezentrum St. Johannes, wo er im Herbst 2023 selbst Aufnahme fand und nun verstorben ist. Spiritueller Begleiter seines Alters wurden die Schriften des Mystikers aus dem Dominikanerorden, Meister Eckhart (1260-1328).
Bis zuletzt las er darin: "Alles, was ist, ist nicht alles."
Bis zuletzt las er darin: "Alles, was ist, ist nicht alles."